Rund um den Kreis

Kreise sind in unserem Alltag allgegenwärtig und daher sind sie uns vertraut. Fragt man aber nach, was genau ein Kreis ist, bekommt man in den meisten Fällen vage Antworten.

Mathematisch wird ein Kreis als die Menge aller Punkte definiert, die von einem vorgegebenen Punkt P den gleichen Abstand r haben. Um Verwechslungen mit der in der Alltagssprache gebräuchlichen Bedeutung eines Kreises zu vermeiden, spricht man in der Mathematik von einer Kreislinie.

Wenn man im Alltag von einem Kreis spricht meint man eine Kreisscheibe, also alle Punkte, die von einem Punkt M höchstens den Absatnd r haben. Diese Punkte liegen innerhalb bzw. auf der Kreislinie.

Wenn Verwechslungen ausgeschlossen sind, spricht man auch in der Mathematik anstelle von einer Kreislinie einfach nur von einem Kreis.

Der Punkt \bm M wird als Mittelpunkt und der Abstand \bm r wird als Radius des Kreises bezeichnet.

Wenn man zwei beliebige Punkte P und Q auf dem Kreis verbindet, erhält man eine Strecke s = PQ, die als Sehne des Kreises bezeichnet wird. Die längste aller Sehnen, die Strecke \bm{d} = RS, wird als Durchmesser des Kreises bezeichnet. Für den Durchmesser gilt: \bm{d = 2 \cdot r}

Der Umfang

Die Länge einer Kreislinie k wird als Umfang \bm{U} des Kreises bezeichnet. Zwischen dem Radius r bzw. dem Durchmesser d und dem Umfang U gilt für jeden Kreis eine einfache Beziehung:

\boxed{\bm{U = 2 \cdot r \cdot \pi = d \cdot \pi}}

Diese Formel lernt jeder Schüler. Woher aber kommt diese Formel? Wie kann man sich diese Formel herleiten? Diese Frage wird in den folgenden Abschnitten beantwortet.

Die Herleitung dieser Formel ist nicht ganz einfach. Wer sich dafür  nicht interessiert, kann diesen Abschnitt einfach überspringen.

Die Herleitung beginnt ganz einfach mit einer Sehne PQ. Als nächstes zeichnen wir die Winkelsymmetrale MR mit der Länge \overline{MR} = r ein. Den Winkel \angle RMQ bezeichnen wir mit \alpha. Die Sehne PQ und die Winkelsymmetrale MR erzeugen die beiden rechtwinkeligen Dreiecke \color{blue}MQS und \color{brown}QRS mit den Seiten \color{blue}r, x, r - y und \color{brown}x, y, s.

Aus dem rechtwinkeligen Dreieck \color{blue}MQS erhält man mithilfe des Winkels \alpha und der Seite r:

\begin{array}{lclclcl}\bm{x} &=& \bm{r \cdot sin \left( \alpha \right)}&&&& \\r - y &=& r \cdot cos \left( \alpha \right)& \Rightarrow & \bm{y} &=& \bm{r \cdot \left( 1 - cos \left( \alpha \right) \right)}\end{array}

 

Wegen des Satzes des Pythagoras gilt für die Länge s der Sehne QR: s = \sqrt{x^2 + y^2}. Setzt man für x und y die Ergebnisse von oben ein, erhält man:

\begin{array}{lclc} \bm{s} & = & \sqrt{x^2 + y^2} & = \\ & = & \sqrt{r^2 \cdot sin^2 \left( \alpha \right) + r^2 \cdot \left( 1 - cos \left( \alpha \right) \right)^2} & = \\ & = & r \cdot \sqrt{sin^2 \left( \alpha \right) + 1 - 2 cos \left( \alpha \right) + cos^2 \left( \alpha \right)} & = \\ & = & r \cdot \sqrt{2- 2 cos \left( \alpha \right)} & = \\ & = & \bm{\sqrt{2} \cdot r \cdot \sqrt{1- cos \left( \alpha \right)}} & \end{array}

 

Eine Näherung für den Umfang U des Kreises erhält man, wenn man n = \frac{2 \cdot \pi}{\alpha} mal die Sehne s addiert: U \approx \frac{2 \cdot \pi}{\alpha}\cdot s. Setzt man für die Länge der Sehne s das obige Ergebnis ein, erhält man:

\begin{array}{lclc}\bm{U} & \approx & \frac{2 \cdot \pi}{\alpha}\cdot s & = \\& = & \frac{2 \cdot \pi}{\alpha}\cdot \sqrt{2} \cdot r \cdot \sqrt{1 - cos \left( \alpha \right)} & = \\& = & 2 \cdot \pi \cdot r  \cdot \frac{\sqrt{2}}{\alpha}\cdot \sqrt{1 - cos \left( \alpha \right)} & = \\& = & 2 \cdot \pi \cdot r  \cdot \sqrt{2} \cdot \sqrt{\frac{1 - cos \left( \alpha \right)}{\alpha^2}} & \end{array}

 

Den exakten Wert für den Umfang U erhält man, wenn man den Winkel \alpha gegen null gehen lässt. Es ist dann zu berechnen:

U = 2 \cdot \pi \cdot r  \cdot \sqrt{2} \cdot \lim\limits_{\alpha \rightarrow 0}{\sqrt{\frac{1 - cos \left( \alpha \right)}{\alpha^2}}}

 

Zur Berechnung des Grenzwertes des Ausdrucks \lim \limits_{\alpha \rightarrow 0}{\sqrt{\frac{1 - cos \left( \alpha \right)}{\alpha^2}}} verwenden wir die folgende Reihenentwicklung für die Cosinusfunktion:

cos \left( x \right) = \sum \limits_{k = 0}^{\infty}{\left( -1 \right)^k \cdot \frac{x^{2k}}{\left( 2k \right)!}} = 1 - \frac{x^2}{2!} + \frac{x^4}{4!} - \frac{x^6}{6!} + \frac{x^8}{8!} - \ldots

 

Unter Verwendung dieser Reihenentwicklung kann der Ausdruck \frac{1 - cos \left( \alpha \right)}{\alpha^2} = \frac{1}{\alpha^2} - \frac{cos \left( \alpha \right)}{\alpha^2} wie folgt umgeformt werden:

\begin{array}{lclc}\frac{1}{\alpha^2} - \frac{cos \left( \alpha \right)}{\alpha^2} &=& \frac{1}{\alpha^2} - \left[ \frac{1}{\alpha^2}  - \frac{\alpha^2}{2! \cdot \alpha^2} + \frac{\alpha^4}{4! \cdot \alpha^2} - \frac{\alpha^6}{6! \cdot \alpha^2} + \frac{\alpha^8}{8! \cdot \alpha^2} - \ldots \right]&= \\ &=& \frac{1}{\alpha^2} - \left[ \frac{1}{\alpha^2}  - \frac{1}{2!} + \frac{\alpha^2}{4!} - \frac{\alpha^4}{6!} + \frac{\alpha^6}{8!} - \ldots \right]&= \\ &=& \frac{1}{2}  - \frac{\alpha^2}{4!} + \frac{\alpha^4}{6!} - \frac{\alpha^6}{8!} + \ldots &=\end{array}

 

Lässt man nun den Winkel \alpha gegen null gehen, erhält man für \lim \limits_{\alpha \rightarrow 0} {\frac{1 - cos \left( \alpha \right)}{\alpha^2}}:

\begin{array}{lclcl}\lim \limits_{\alpha \rightarrow 0} {\frac{1 - cos \left( \alpha \right)}{\alpha^2}} &=& \lim \limits_{\alpha \rightarrow 0} {\left[ \frac{1}{2}  - \frac{\alpha^2}{4!} + \frac{\alpha^4}{6!} - \frac{\alpha^6}{8!} + \ldots \right]} &=& \frac{1}{2}  \end{array} 

 

Setzt man dieses Ergebnis die Formel für den Umfang ein, ergibt sich die gewünschte Formel für die Berechnung des Umfangs eines Kreises:

\begin{array}{lclc} \bm{U} &=& 2 \cdot \pi \cdot r  \cdot \sqrt{2} \cdot \lim\limits_{\alpha \rightarrow 0}{\sqrt{\frac{1 - cos \left( \alpha \right)}{\alpha^2}}} &= \\  &=& 2 \cdot \pi \cdot r  \cdot \sqrt{2} \cdot \frac{1}{\sqrt{2}} &= \\&=& \bm{2 \cdot \pi \cdot r} & \end{array}

Umfang und Radius – eine besondre Beziehung

Der Radius der Erde r_E beträgt im Durchschnitt 6371 km. Betrachten wir ein Modell der Erde, also einen Globus, mit dem Radius r_G = 1 \, m.

Angenommen, beide Radien werden um einen Meter vergrößert. Um wie viel Meter ändern sich dann der Umfang U_E der Erde und der Umfang U_G des Globus?

Zur Beantwortung dieser Frage gehen wir den folgenden Weg: Wir betrachten den Umfang U als Funktion des Radius r U(r) = 2 \cdot \pi \cdot r

Die Funktion U(r) ist eine homogene lineare Funktion der Form f(x) = k \cdot x mit k = 2 \cdot \pi.

Für lineare Funktionen gilt: Wenn man die unabhängige Variable x um eins erhöht, erhöht sich der Funktionswert f(x) um k, d.h.

f (x + 1) = f(x) + k

 

Für die Funktion U(r) gilt damit:

\bm{U(r + 1)} = U(r) + k = U(r) + \bm{2 \cdot \pi}

 

Unabhängig von der Größe eines Kreises gilt, dass sich sein Umfang um 2 \cdot \pi Einheiten vergrößert, wenn man den Radius r um eine Einheit vergrößert.

Bezogen auf unser Beispiel bedeutet dies, dass sich sowohl der Erdumfang, als auch der Umfang des Globus um 2 \cdot \pi \, m vergrößern.

Es gilt auch die Umkehrung. Betrachtet man den Radius r als Funktion des Umfangs U mit r (U) = \frac{U}{2 \cdot \pi}, dann ist die Funktion r(U) ebenfalls eine lineare Funktion r(U) = k \cdot r mit k = \frac{1}{2 \cdot \pi}.

Ändert man den Umfang eines Kreises um eine Einheit, dann ändert sich der Radius um \frac{1}{2 \cdot \pi} Einheiten. Diese Änderung ist wieder unabhängig von der Größe des Kreises.

Der Flächeninhalt

In der Schule lernt man, dass der Flächeninhalt eines Kreises k mit der folgenden Formel zu berechnen ist:

\boxed{\bm{A = r^2 \cdot \pi}}

In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie man diese Formel herleiten kann.

Wir teilen zunächst einen Kreis in n Kreissektoren (z.B. n = 12), wobei die eine Hälfte der Kreissektoren blau und die andere Hälfte rot eingefärbt wird. Die Bogenlänge eines einzelnen Kreissektors beträgt dann b = \frac{2\cdot r \cdot \pi}{n}. Die Bogenlängen der blau bzw. der rot eingefärbten Sektoren beträgt jeweils:

b = \frac{2\cdot r \cdot \pi}{n} \cdot \frac{n}{2} = r \cdot \pi

 

Im nächsten Schritt rollen wir die Sektoren wie in nebenstehender Abbildung dargestellt, ab.

 

Die abgerollten Kreissektoren werden nun, wie in nebenstehender Abbildung dargestellt, neu angeordnet. Die so entstandene Figur kann näherungsweise als Parallelogramm mit der Grundlinie b = r \cdot \pi und der Höhe h = r betrachtet werden. Der Flächeninhalt des Parallelogramms ergibt sich aus:

A_P \approx b \cdot h = \underbrace{r\cdot \pi}_{= b} \cdot \underbrace{r}_{= h} = r^2 \cdot \pi

Die Annäherung des Flächeninhalts A_K durch ein Parallelogramm wird umso genauer, je kleiner die Bogenlängen der Kreissektoren sind. Die Verkürzung der Bogenlängen der Kreissektoren kann man dadurch erreichen, dass man die Anzahl n der Sektoren vergrößert. Lässt man die Zahl n der Sektoren gegen \infty gehen, wird aus dem Parallelogramm ein Rechteck mit den Seitenlängen b = r \cdot \pi und h = r. Für den Flächeninhalt gilt dann:

\bm{A_K} = \lim \limits_{b \rightarrow 0} {\left( b \cdot h \right)} = \lim \limits_{b \rightarrow 0} { \left( r \cdot \pi \cdot r \right)} = \bm{r^2 \cdot \pi}